...und zweitens als man denkt. So könnte man die letzten zweieinhalb Jahre hier in Peru überschreiben. Wer mich und Benjamin kennt, weiß, dass wir in aller Regel sehr gut organisiert sind. Was planbar und kalkulierbar ist kann im Vorfeld geregelt werden und erspart uns unnötigen Stress. Und was haben wir nicht alles geplant. Unsere Auswanderung, die Ankunft in Peru, Sprachschule, Schulanmeldung der Kinder, der ideale Zeitpunkt für den weiteren Umzug nach Curahuasi, Ankunft hier, Schule, Gemeinschaft, ... Und dann kam Corona. Von einem Tag auf den anderen stand die Welt still. Wir verbrachten nicht nur Tage sondern Monate hinter unseren Gartenmauern. Für Kinder war es komlett verboten nach draußen zu gehen, für Erwachsene nur in dringenden Notfällen und zum Einkaufen erlaubt. Da wir kein Auto hatten, fiel diese Aufgabe in aller Regel Benjamin zu. Das war´s mit unseren schönen sorgfältig ausgetüftelten Plänen. Mein effizient errichtetes Gedankengebäude fiel sang- und klanglos in sich zusammen und übrig blieb eine große Leere. Beinahe alles, das kurz vorher noch meinen Alltag komplett ausgefüllt hatte war mit einem Mal komplett weggewischt worden. Jeder neue Tag lag vor mir wie ein leeres Blatt, begierig darauf gefüllt zu werden. Und das taten wir dann auch.
Auch wenn es abgedroschen klingen mag, ich werde diese Zeit wie einen kostbaren Schatz in meinem Herzen bewahren. In diesen intensiven Monaten lernte ich soviel über mich, meine Kinder, das Leben und was wirklich zählt. Was gibt Halt und Sicherheit, wenn alles um mich herum wegbricht? Wenn Sorge sich breitmachen will und keine Ablenkung weit und breit zu finden ist? Was trägt, wenn man sich selbst in seiner dunkelsten Stunde begegnet und Weglaufen keine Option ist? Was gibt meinem Leben Wert, wenn ich nichts leiste?
In dieser Zeit wurde mir immer wieder bewusst, wie wichtig es ist zu wissen, was mein liebender Vater im Himmel über mich denkt. Als sein Kind darf ich einfach sein. Echt, unverstellt, ungeschminkt. Er hat kein Problem mit meiner Wut, meinen Ängsten, meinen Zweifeln. In seinen liebenden Armen darf ich ruhen. Und dann nimmt er die Scherben meiner zerbrochenen Pläne und macht daraus ein Bild, das schöner nicht sein könnte.